Füllerbörse

Füllerbörse 2003

 

Seit 10 Jahren helfe ich jedes Jahr meinem Bekannten Stefan die Füllertauschbörse zu organisieren. Mein Part besteht darin, das Finanzielle abzuwickeln. Stefan weiß, dass er sich auf mich verlassen kann, beim Bezahlen entgeht mir keiner!

Es war 9:40 Uhr, als ich am Ruderhaus in Poll ankam. Um zehn Uhr sollte es losgehen. Wie jedes Jahr warteten schon viele Händler aus aller Welt darauf in den Raum gelassen zu werden um ihre Sachen aufzubauen. Freundlich grüßte ich die Leute rechts und links und marschierte in den Saal, begrüßte Stefan und schon ging der Trubel los. Mit Mühe konnte ich noch meinen Tisch vor den Eingang schieben, so das die Händler nur einzeln an mir vorbei kamen. Stefan drückte mir noch die Kassette mit dem Wechselgeld und die Teilnehmerliste in die Hand und dann stand die Masse von Händlern auch schon vor mir. Der Erste hieß Meier und hatte einen Meter bestellt, wollte jetzt jedoch 2 Meter haben. Das fing ja gut an! Ich meinte es wäre in Ordnung und sagte ihm, er solle mir schon mal die 2 Meter zahlen, das würde schon irgendwie klappen. Mein Motto war: Geld muss in die Kasse, dafür werde ich schließlich bezahlt! Die Händler werden sich untereinander immer einig, also was soll’s! Der nächste meinte: „Mir rutscht die Füllersammlung aus der Hand, kann ich mal schnell durch, ich bezahle später.“ Ich dachte mir nur: „Junge, der Trick ist uralt! Nicht mit mir!“ Laut sagte ich, aber in meiner freundlichen aber bestimmten Art: „Augenblick, ich nehm dir was ab.“ Danach folgten noch ein paar reibungslose Fälle, die ihre Meterzahl bezahlten und dann lief es auch. Ich wurde beim Bezahlen oft nach Tischnummern gefragt, ich sagte nur, sie sollen auf dem Plan im Saal nachsehen, welche Tischnummer sie haben. Ich fand diesen Plan genauso schwierig zu lesen, wie eine Landkarte. Ich bin immer wieder erstaunt, wie die Händler es schaffen, ihren Platz zu finden. Es kamen noch Einige, die keinen Tisch bestellt hatten und meinten nichts zahlen zu müssen, aber auch den Zahn musste ich ihnen ziehen. Jeder der rein will um etwas zu kaufen oder zu tauschen, muss 25 € zahlen, somit sind die Händler unter sich. Von allen Ländern sind sie vertreten, um einige zu nennen: Österreich, Belgien, Holland, Frankreich usw. Die Menschentraube vor meinem Tisch löste sich auf und ich schaue mich erst mal um. Jetzt erst stelle ich fest, dass auf meinem Tisch zwar eine Tischdecke lag die voller Krümel war und das sah nicht gerade sauber aus. Hinter mir befand sich die Kuchentheke, die mit Strom kühlt, allerdings lag der Stecker auf der Erde. Da ich später keinen eingefallenen Kuchen essen wollte, setzte ich die Theke unter Strom. Neben der Kuchentheke stand ein Tisch, auf dem wohl Kuchenstücke geschnitten werden sollten. Ein Behälter mit Wasser, auf dem Fett schwamm und ein dreckiges Messer drin steckte, sah nicht gerade einladend aus. Das Messer wurde wohl zum Kuchen schneiden benutzt. „Igitt!“ ging mir durch den Kopf. Eine Nagelfeile lag ebenfalls auf dem Tisch, spätestens in diesem Moment zwang ich mich an etwas anderes zu denken, denn ich wollte schließlich später noch ein Stück Kuchen essen. Um mich abzulenken, bestellte ich mir einen Kamillentee, aber den gab es nicht. Ich zeigte mich flexibel und bestellte einen Hagebuttentee. Während ich wartete, beobachtete ich den Kellner, wie er einen Kamm aus seiner Gesäßtasche zog und sich durch die Haare kämmte. Als mein Tee kam, war ich erfreut, dass kein Haar darin schwamm. Es war kurz vor 12 Uhr, der Koch trudelte ein und langsam bekam ich auch Hunger. Ich entschloss mich dazu, mir das Wiener Schnitzel mit Salat zu bestellen. Wenn das Fleisch nichts taugte, konnte ich immer noch auf den Salat freuen und bei Fritten kann man doch auch nichts falsch machen, dachte ich. Mein Appetit zügelte sich schon was, als ich sah, dass der Koch mit der Zigarette in die Küche ging. Als er nach einiger Zeit wieder herauskam und zum WC ging, schaute ich auf die Uhr, um errechnen zu können, ob er sich in der Zeit auch die Hände gewaschen haben konnte. Leider wurde ich in dem Moment von einem Pärchen abgelenkt. Beide sehr elegant gekleidet, gingen schnurstracks auf den Eingang der Tauschbörse zu. Sie nahmen mich gar nicht wahr! Ich dachte: „Was denken die eigentlich, wofür ich hier sitze!“ Ich schnellte von meinem Stuhl hoch und fragte die Beiden freundlich, ob ich Ihnen helfen könnte. Die Frau mit dem nötigen Instinkt, erkannte, dass es so nicht ging. Der Mann wagte sich weiter in die Halle. Ich überholte ihn blitzschnell und sagte, dass er dort nicht rein könne. Bestimmend sagte er: „Ich suche Herr Dittmer.“ Ich entgegnete ihm: „Das mag ja sein, aber gehen sie bitte wieder heraus, so geht das nicht.“ Ich wurde lauter und suchte mit den Augen schon die Leute, die mir helfen würden. Der Mann erkannte wohl mein Vorhaben und ging mit seiner Frau wieder raus. Draußen wurde er laut und meinte, was denn soll, er müsste dringend Herrn Dittmer sprechen, da er extra deshalb hierher gereist sei und er ja noch andere Händler kannte. Er wollte mir wohl zeigen, was er für einen Einfluss hatte. Scharfe Sätze fielen von ihm, wie „Was fällt der ein?“ oder „Wer ist die denn schon?“ und so weiter. Wenn er nicht rein dürfte, dann solle ich Herrn Dittmer wenigstens rausholen. Doch das ist nicht meine Aufgabe! Ich hätte es getan, aber er sprang mit mir um, als wäre ich ein Würstchen. So meinte ich dann nur zu ihm: „Ich möchte Sie erstens bitten mit mir normal zu reden, ich schreie sie auch nicht an und zweitens, auf die Frage, für was ich denn hier sitze, kann ich Ihnen sagen, um Personen wie Sie daran zu hindern vor 13 Uhr hier rein zu kommen. Und wie Sie sehen, mache ich meinen Job ganz gut.“ Mit dem Satz: „Das ist ja eine Unverschämtheit“, rauschte er mit seiner Frau ab. Mittlerweile kam mein Wienerschnitzel. Das Fleisch war o.k., der Salat war mit Essig und Öl, das würde ich nie essen und die Pommes waren so dick, die klebten ständig am Gaumen. Es war kurz vor 13 Uhr, die normalen Besucher hatten gleich Einlass. Einige kamen und fragten blöd, wann es denn los ginge. Mit Pommes am Gaumen antwortete ich ihnen, dass es wie immer Punkt 13 Uhr los ginge. Ich muss gestehen, dass ich es genieße, wenn die Passanten vor dem Eingang stehen und ständig auf die Uhr über der Eingangstür schauen. Ich esse immer weiter, bis es genau 13 Uhr sind. Sie scharren mit den Füssen und ihre drei Euro klappern in den Händen hin und her, doch ich rührte mich nicht. Netten Passanten sage ich die Wahrheit, dass die Händler von 10-13 Uhr nicht an ihren Tischen sind, sondern durch den Saal laufen und ihre Ware unbeaufsichtigt lassen. Die Händler vertrauen sich untereinander, da kommt auch nichts fort. Aber ab 13 Uhr wissen sie, dass die Leute von draußen kommen und ab dann müssen sie eben aufpassen. Leute, die mich pausenlos beim Essen stören, sage ich nichts. Das muss ich ja auch nicht. Für die bin ich eben nur blöd. Frau Martini kommt zur Theke. Ihr bestelltes Medaillon ist kalt geworden, weil der Kellner sie im Saal nicht gefunden hat. Das Essen wird wieder warm gemacht. Da ich sie gut leiden kann, versprach ich ihr, dass ich mich darum kümmern würde und sie riefe, bevor das Essen wieder kalt wird. Zwei Händler kamen an meinen Tisch und der eine meinte: „1 mal 3 Euro bitte!“ Ich schaute ihn an und meinte: „Ihr seid doch zu zweit, also 6 Euro!“ Er erklärte mir, er wäre nur Händler und das wäre sein Bruder. Freundlich wie ich war, sagte ich zu ihm: „und wenn das Deine Schwester wäre, das wäre mir auch egal, jeder der hier rein will zahlt 3 Euro!“ Ein leises Murren folgte noch und dann zahlte er. Warum nicht gleich so dachte ich mir noch. Leo aus Wien trudelt ein, um ebenfalls wie letztes Jahr zu Tauschen. Wenn ich seinen Dialekt höre, bin ich hin und weg. Er herzte mich und machte mir, wie immer Komplimente, so wie ich darauf gewartet habe. Tante Gretchen hatte mich besucht und lernte Leo ebenfalls kennen, auch sie verfiel seinem Charme. Leo sieht nicht attraktiv aus, aber er macht das alles mit seinem Charme wett. Mit Tante Gretchen trank ich Kaffee und aß Kuchen., wobei ich ihr nicht davon erzählte, wie lange die Theke ohne Strom war. Es reichte, wenn ich das wußte, man ist ja Gönner. Diana gesellte sich zu uns, sie ist Stefans Frau und meine Freundin. Leider fehlte uns die Zeit, um uns was zu erzählen. Sie bekam gerade noch mit, wie zwei Leute ohne zu bezahlen in die Halle gehen wollten. Sie lachte sich mal wieder kaputt, wie ich die zwei aufhielt. Sie sagte mir mal, das könnte sie nicht, aber das ich dafür geboren sei. Da hat sie nicht ganz unrecht. Eine Händlerin kam aus dem Saal. Sie war schon seit Jahren dabei und setzte sich zu einem Schwätzchen zu Tante Gretchen und mir. Ich hatte sie morgens beim Einchecken mit einer anderen Dame angesprochen. Es war mir peinlich nach so vielen Jahren ihren Namen verwechselt zu haben. Da passierte mir gleich noch ein Missgeschick, als sie jetzt wieder davon anfing und ich zu meiner Verteidigung meinte, sie sind aber doch Holländerin. Die gute Frau fing Feuer und meinte voller Überzeugung: „Ich bin eine waschechte Kölnerin!“ Jetzt geriet der Stein ins Rollen, meine Tante Gretchen packte aus: „Was? Sie wollen eine Kölnerin sein, niemals. Sie haben ja gar keinen Akzent. Außerdem haben wir all die Jahre in Kalk gewohnt, kölscher kann das ja wohl nicht mehr sein. Mich hielt erst recht nichts mehr und so meinte ich, ich bin im Severinsviertel von Köln geboren. Laut wurde diskutiert, wer wohl mehr Kölsche sei. Diana verfolgte alles mit einem Lächeln, sie konnte das alles nicht verstehen. Dank Tante Gretchen, die sich mächtig ins Zeug legte, konnte ich die Schlacht als gewonnen verbuchen. Die Händlerin hatte keine Chance und zog dann Richtung WC ab. Es mag ja eine liebe und nette Frau gewesen sein, aber eine Kölsche war sie nicht. Diana verließ anschließend unsere kleine Runde. An meinen Tisch setzte sich ein angetrunkener Herr und bändelte mit meiner Tante Gretchen an. Er wollte mir ein Gespräch an die Backe nageln, aber ohne mich. Ständig stellte er mir Fragen. Um ihn nicht zu ermuntern antwortete ich eher wortkarg, ganz gegen meine Gewohnheiten. Er ging nicht ein, im Gegenteil, er fing an, dumme Frage an meine Füllergäste zu stellen, jetzt war es meinerseits an der Zeit, einzugreifen. Ich ging zur Kellnerin und bat sie mir den Kerl vom Hals zu schaffen. Ehe er sich versah, war er schon vor der Türe. Für manch einen mag ich sehr streng sein, wenn es aber ums Geld geht, da lasse ich nicht mit mir handeln, aber gleichzeitig lasse ich meine Füllerleute von keinem belästigen. Der Tag neigte sich dem Ende zu und ich machte noch Kasse. Stefan kam, ich drückte ihm die Geldkassette und die Verantwortung in die Hände. Es war 17.00 Uhr und wie jedes Jahr war es sehr anstrengend. Ich mache es jedoch sehr gerne und freue mich schon auf das nächste Jahr.