Reisebericht
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1. Tag

Im Sommer 2005 kam meiner Cousine Elfi und mir bei einem Telefonat die Schnapsidee, nach Peru zu fliegen. Dort lebt mein Bruder mit seiner Familie. Elfi war vor 20 Jahren schon einmal dort gewesen. Für mich würde es jetzt das dritte Mal sein. Meine beiden Töchter Martina und Michaela überredete ich, ebenfalls mitzufliegen, und wie ich es erwartet hatte, diesen Wunsch schlugen sie mir nicht ab. Bei Helmut war dieser Versuch zwecklos, er fährt nicht gerne in Urlaub. Er rieb sich schon die Hände, denn so hatte er zwei Wochen sturmfreie Bude. Die „Rolling Stones-Platten“ würden den ganzen Tag laufen und verbotenerweise würde er im Wohnzimmer seine Mahlzeiten einnehmen. Es sei ihm gegönnt. Wir planten den 20. Januar 2006 und so rief ich meinen Bruder in Peru an und fragte, ob er mal richtige Stimmung in seiner Bude haben wolle, denn wir wollten ja zu viert anrücken. Die Antwort war eigentlich schon vorher klar und so hörte ich nur die Fragen: „Wann kommt Ihr? Wie viel Uhr landet die
Maschine?“ Freu’ mich auf Euch, bis bald!

Zu den letzten Vorbereitungen gehörte auch das Verteilen unserer Wäsche auf drei Koffer. Als ich voriges Jahr mal mit Michaela in Urlaub geflogen bin, kam mein Koffer abhanden. Drei Tage lief ich mit T-Shirts durchs Dorf, die Aufdrucke hatte, die mir sehr peinlich waren. Die angeblichen Hüfthosen zog ich mit dem Gürtel so eng, weil ich Angst hatte, sie würden mir vom Hintern rutschen und ich steh’ im Freien. So etwas vergisst man nicht!

In der letzten Nacht vor der Abreise haben wir vor Aufregung alle wohl nicht viel geschlafen und so sahen wir morgens um 5 Uhr am Flughafen Köln sehr müde aus. Die Gefühle aller Beteiligten waren gemischt. Die Freunde von Martina und Michaela waren sichtlich traurig. 14 Tage können lang werden. Wir versprachen, jeden Tag über den PC Kontakt zu halten. Helmut freute sich auf seine ruhige Zeit ohne Stress. Wir waren voller Erwartung! Michaela war vor 19 Jahren schon mal mit, konnte sich aber an nichts mehr erinnern. Sie hatte keine Vorstellung, wie es da sein würde. Martina und ich waren ja vor 3 Jahren noch dort gewesen und hatten viele Pläne was wir uns diesmal ansehen würden. Meine Cousine war einfach nur neugierig auf die Dinge, die da kommen würden. Der Abschied kam und schon waren wir im Flieger nach Amsterdam. In Amsterdam hatten wir ca. 1 Stunde Aufenthalt und ich weiß nicht mehr, wie viel Zigaretten Martina, Michaela und ich in der kurzen Zeit geraucht hatten. Aber der Nikotinspiegel musste aufgebaut werden, denn jetzt kam der lange, lange Flug über den Atlantik. In der Nacht landeten wir noch mal kurz in Bonaire und nach drei weiteren Stunden in Lima. Nach unserer Zeit war es jetzt 3 Uhr morgens aber in Lima erst 21 Uhr. Erschöpft, aber glücklich, alles geschafft zu haben, schlurften wir mit unseren Koffern Richtung Ausgang, wo uns mein Bruder schon freudig begrüßte. Auf der Heimfahrt erzählten die Mädels meinem Bruder Beulen an den Kopf. Sie stellten unentwegt Fragen, z. B. „Ist das hier abends immer so warm?“ oder „Wie heiß ist es am Tag?“ Mein Bruder, der das Gemüt eines Elefanten hat, beantwortete jede Frage ohne müde zu werden. Ich sah auf die riesigen Lichtreklamen und das laute Autochaos auf den Straßen und fühlte die warme Luft. Es war genau so wie vor 3 Jahren, da kamen wir auch abends an, es war genau so.

Zu Hause wartete Ana (meine Schwägerin) mit meinem Neffen Alex. Alex war ebenfalls gerade zu Besuch, sonst wohnte er in Hannover. Es wurde noch viel erzählt bis wir todmüde ins Bett fielen. Martina und Michaela hatten ein eigenes Zimmer. Morgens riefen sie nach mir, ich solle mir mal das Bett von Michaela anschauen. Es war in der Mitte durchgebrochen. Ich meinte nur: „Micki was hast Du wieder angestellt?“ Sie schaute mich mit ihren treuen Augen an und sagte mir, das wäre Martina gewesen, die sich auf den Rand des Bettes gesetzt hatte und es dann durchgebrochen war. Die Beiden wollten nicht schon am ersten Tag unangenehm auffallen und fragten mich wie man es vertuschen könnte. Das Bett war aber so weit durchgebrochen, das ein Schlafen darin unmöglich gewesen wäre. So blieb mir keine Wahl und ich musste es meinem Bruder beichten. „Kein Problem!“ meinte er, „das wird repariert!“ Das Bett brach dann noch zwei Mal ein, bis es perfekt repariert war.

 

2. Tag

Am ersten Morgen saßen wir dann alle am Frühstückstisch. Ana fragte die beiden Mädels, was sie trinken wollten. Michaela bekam von Ana die Kanne mit dem Orangensaft gereicht und beim Einschütten löste sich der Deckel, so dass der Orangensaft über ihren Becher auf den Tisch schoß und den Tisch hinunter lief. Mein Bruder saß neben ihr und konnte sich gerade noch retten bevor es Spuren auf dem Anzug gab. Pilar, das Hausmädchen, wurde gerufen und nach kurzer Zeit war auch dieses Problem beseitigt. Michaela verhielt sich dann etwas ruhiger und so passierte auch nichts mehr. Die Kanne mit dem mysteriösen Deckel fasste Michaela die ganzen 14 Tage nicht mehr an. Zur Entspannung und um uns an das warme Klima zu gewöhnen fuhren wir in einen Freizeit-Club. Wir spielten stundenlang „Fronton“, eine Art Squash nur ohne Seitenwände und im Freien. Zur Abkühlung sprangen wir in einen der zahllosen Pools. Anschließend aßen wir etwas, wobei das bei uns „Neumännern“ etwas schwierig war. Unser Motto lautet: „Wat der Buur nit kennt, frisst er och nit!“ So bestellte Peter mehrere Sachen und wir konnten überall mal probieren. Auf die Tour wurden wir dann auch satt. Nun wollten wir aber wieder nach Hause, aber Peter hatte sich noch ein Bier bestellt. Da er jedoch einige Bierchen zu viel getrunken hatte, musste ich nun den Wagen fahren. Ich fahre ungern (eigentlich nie) fremde Autos, außerdem bin ich noch nie einen Automatikwagen gefahren. Wir übten erst einmal innerhalb des Clubgeländes, bevor ich dann auf die Straßen Perus gelassen wurde. Auf der „Panamericana“ (die dreispurig ist) ging es ja noch, aber dann wurde es immer enger. „Blinker setzen brauchst Du nicht!“ hörte ich meinen Bruder sagen, das macht hier keiner. „Zieh’ einfach rüber wenn Du meinst, das passt schon!“ Das ständige Hupen von allen Seiten machte mich total nervös, aber auch das ist in Peru normal. Von der Hitze im Auto abgesehen, war ich naß bis auf die Haut, aber mehr vor Angst als alles andere. Als wir unbeschadet zu Hause ankamen, nahm ich erst einmal einen Schnaps zu mir, damit mein Puls wieder einen Normalzustand bekam.

 

3. Tag

Meine Schwägerin Ana, Elfi, Martina, Micki und ich planten eine Tagestour. Es fing damit an, daß wir in einem Kleinbus nach Lima fuhren. Das muß man sich so vorstellen – man stellt sich irgendwo an die Straße, wo viele kleine Busse vorbeifahren. Ein Mann hängt an der offenen Tür und schreit die Orte, wo die Tour hingeht. Wenn der richtige Bus dabei ist, läuft man auf den Bus zu, zahlt und quetscht sich zwischen die Leute, es war richtig schön eng. Wenn man aussteigen will, muß man laut rufen und der Bus hält an. So gelangten wir nach Lima. Mit einem Touristenbus fuhren wir dann auf einen Berg von wo wir über ganz Lima schauen konnten. Der Heilige San Christobal stand als Steinfigur auf dem Berg und Ana, die über die Kirchen und Gebräuche Bescheid wusste, sagte uns, wir sollten ihn um etwas bitten, das würde dann in Erfüllung gehen. Bis jetzt ist mein Wunsch noch nicht in Erfüllung gegangen, aber eventuell liegt die Verspätung daran, dass die Entfernung zwischen Peru und Deutschland zu groß ist. Ich bin geduldig und warte noch etwas ab! Später fuhren wir dann mit einer Kutsche durch Lima und Ana erklärte uns viel über die Stadt. Nach dem Kulturellen machten wir dann noch ausgiebig „Shopping“. Geschäfte über mehrere Etagen, Geschäft an Geschäft, eine Meile zum Staunen und Kaufen. Mit dem Taxi fuhren wir abends dann wieder heim.

 

4. Tag

Morgens fuhren wir mit Alex in ein nahes Einkaufscenter um etwas zu bummeln. Mittags fuhren wir wieder zurück um zu packen. Unsere Urwaldreise stand bevor. Ana, die die Ruhe weg hatte, trödelte so lange, so dass uns Alex im Eiltempo zum Flughafen fahren musste und wir um ein Haar den Flug verpasst hätten. Nach 90 Minuten waren wir in Iquitos gelandet. Wie in allen Flughäfen Perus wurden wir mit Cuzco-Musik empfangen. Diese Musik wird hauptsächlich auf Panflöten gespielt. Die Atmosphäre war wunderschön und man fühlte sich wie in einem Traum. Der Traum endete schneller als mir lieb war. Am Flughafen sagte uns ein Einheimischer, er wäre bestellt worden, um uns zum Hotel zu fahren und wir sollten ihm jetzt die Tickets geben. Wenn ich in Peru bin, bin ich super mißtrauisch! Mein Bruder hatte mir schon viel über die Leute von Peru erzählt und er lehrte mich immer wachsam zu sein. Und so war ich auch die erste die zu ihm sagte: „Wir geben unsere Tickets nicht aus der Hand!“ Auf den Tickets stand nämlich der Hin- und Rückflug sowie der Aufenthalt im Urwald. Ich sagte zu ihm: „Guter Mann, wenn ich das Ticket aus der Hand gebe, habe ich nichts mehr, und dann komme ich noch nicht einmal zurück nach Lima!“ Der Mann holte noch seinen Vorgesetzten und Ana konnte nicht so schnell übersetzen, so schnell flogen die Sätze hin und her. Der Vorgesetzte sagte nach einer Stunde Diskussion, wenn Sie mir nicht alle ihre Tickets geben, fahre ich ohne Sie und Sie bleiben hier auf dem Flughafen, dann könnte er nichts mehr für uns machen. Wir stiegen ein und gaben ihm die Tickets mit der Auflage, sie wieder zu bekommen, bevor es in den Urwald geht. Er murmelte noch, er hätte noch nie so ängstliche Touristen erlebt. Unsere Gedanken gingen in die Richtung, ob wir je in den Urwald kommen würden? Als wir im Hotel ankamen, waren wir mehr als hungrig und Ana meinte, sie würde uns etwas zu essen besorgen und wir sollten warten. Sie meinte es lieb mit uns, aber ich wusste aus Erfahrung, sie würde unseren Geschmack nicht treffen! Martina ging sicherheitshalber mit. Mit frischen leckeren Pizzas kam Martina zurück und erntete nur Lob von uns. Ana meinte nur, wie könnt Ihr so etwas nur essen, wo es hier doch so viel einheimisches Essen gibt. Wir wollten jedoch kein Risiko eingehen und ließen uns die Pizzas schmecken. Meinem Bruder, der im Hotel anrief und fragte ob alles okay sei, sagten wir nichts davon, dass wir die Tickets aus der Hand gegeben hatten, der hätte uns glatt nach dem Verstand gefragt. Als wir abends im Bett lagen, dachten wir noch daran, ob wir morgens wirklich die Tickets zurückbekamen und schliefen dann endlich ein. 

 

5. Tag

Am frühen Morgen bekamen wir die Tickets wieder. Warum dieser Mann die Tickets wirklich gebraucht hatte, werde ich nie verstehen, es war mir, als ich sie in den Händen hielt, auch völlig egal gewesen. Gegen Mittag wurden wir mit einem kleinen Bus zum Hafen gefahren und von dort aus fuhren wir mit einem kleinen Boot in den Urwald. Ricardo, unser Reiseleiter, sagte zu uns: „Ab jetzt haltet Ihr die Hände nicht mehr ins Wasser, sonst sind die ab! Die Piranhas fackeln nicht lange und wir wollen die Reise doch alle heil überstehen!“ Später wechselten wir dieses Achtmann-Boot mit einem Kanu, für mich eher eine kleine Nussschale und mir wurde mulmig, zu wissen, wenn dieses Kanu umkippt, wir die Mahlzeit für die Fische wären. Bevor wir zu unserem eigentlichen Ziel kamen, besuchten wir noch eine Fischfarm, die ich persönlich für nicht so interessant hielt. Uns wurde gesagt, dass diese Fische, die wir da sahen, eine Delikatesse wären. Mir war das völlig egal gewesen und weckte nicht mein Interesse, ich esse ja keinen Fisch! Mit dem Kanu paddelten wir weiter zu einem kleinen Dorf, wo wir Einheimische besuchten. Wir sollten sehen, wie bescheiden sie lebten. Kein Strom, kein fließend Wasser aus der Leitung, ich empfand den Anblick der Hütten bedrückend. Einer unserer Mitreisenden fotografierte ein kleines Mädchen und gab ihr Geld dafür, dieses Intermezzo fand ich von ihm geschmacklos, na ja jeder benimmt sich so schlecht wie er kann. Von diesem „Tuppes“ hatte ich mir jetzt schon meine Meinung gebildet. Jetzt saßen wir wieder im Kanu und unsere Neugierde wuchs, denn jetzt sollte es zum Camp gehen. Wir fünf hatten 2500 € für die Urwaldreise bezahlt und wir waren auf unser First Class – Hotel gespannt. Für Südamerika war das ein stolzer Preis. Mein Bruder hatte beim Buchen der Reise extra mit Touristenbuffet gebucht, weil er sich davon versprach, dass wir Essen bekämen, welches wir kennen und mögen würden. Gegen Nachmittag hieß es dann auch: „Alle aussteigen, wir sind da!“ Trotz meines schweren Rucksackes drängelte ich mich an allen vorbei und lief den Holzsteg hoch und stutzte, ich sah nur kleine Holzhütten auf Holzpfeilern gesetzt. Was ich sah, war mehr als einfach und ich lächelte gequält. Einen Swimming-Pool, wo ich abends schwimmen wollte, konnte ich mir wohl abschminken. Martina, Michaela und ich bekamen eine Holzhütte zugeteilt und es sollte noch dicker kommen. Als wir in der Holzhütte waren, packte uns der Schauer. Keine Fenster, sondern wo die sein sollten, Mosquitonetze. Ich hörte auch gleich, warum! Martina schrie: „Hier wimmelt es vor Mücken, Michaela schließ sofort die Türe!“ Mit den Worten: „Mädels bleibt cool, die können uns nicht stechen“, zog ich auch schon unsere Mückencreme aus meinem Rucksack. Wir schmierten uns damit erst einmal tüchtig ein und dachten, damit wäre dieses Thema erledigt. Wir drehten uns in der kleinen Hütte um unsere eigene Achse und waren entsetzt. Wir sahen drei Betten, ein Holzregal, zwei Schaukelstühle und einen Schreibtisch. Das war’s! Das Bad bestand aus einer Toilette und einem kleinen Porzellanviereck, das die Dusche sein sollte. Es kam noch besser! Michaela fiel auf, dass wir keinen Strom hatten und schon rannten wir drei zur Dusche. Es war so eng, dass es nur einer von uns schaffte, den Wasserhahn aufzudrehen. Die Diagnose war schmerzhaft, es gab nur kaltes Wasser! Unsere Stimmung war leicht auf dem Tiefpunkt und alle dachten dasselbe: „Und das für 500 €!“ Wir verließen unsere Hütte und Ana kam uns entgegen. Sie sagte, ob wir schon gemerkt hätten, dass es hier nur kaltes Wasser geben würde. Für sie würde das Duschen für die Zeit im Camp ausfallen. Martina meinte zu ihr, dass sie das nicht machen könne, alle Leute im Camp würden sie spätestens nach 24 Stunden meiden. Wenig später hörten wir Ana unter der Dusche schreien, so dass es in der ganzen Anlage zu hören war. Das Wasser war wohl sehr kalt. Wir zögerten das Duschen noch etwas heraus indem wir uns die Anlage anschauten. Es gab insgesamt acht Hütten, einen großen Aufenthaltsraum und einen Ruheraum mit Hängematten. In der Mitte des Camps gab es eine kleine Wiese mit vier Holzbänken zum Verweilen. Wir wollten uns erst einmal setzen und die Sache verdauen. Plötzlich sprang Michaela wie von einer Tarantel gestochen auf. Eine riesige Spinne hing an der Holzbank! Wir kontrollierten die anderen Bänke und setzten uns dann dort hin. Als wir uns von diesem Schock erholt hatten, hörte ich von den Mädels Sätze wie: „Das ist halt Urwald! Wir wollten es ja hautnah erleben, das gehört dann dazu!“ Ich dachte mir, die mit ihrer großen Klappe, die wird spätestens beim Duschen mit kaltem Wasser wieder klein werden. Das Abendessen wurde von Ricardo mit einer Buschtrommel angekündigt. Wir waren jetzt aufs Essen gespannt! Das Abendessen war natürlich nicht für Touristen gemacht. Es schockte mich aber nicht, da ich ein steinhartes Brötchen vom Morgen in meinem Rucksack hatte und das würde ich dem Essen auf jeden Fall vorziehen. Meine Augen sahen Fisch und trockenen Reis, sonst nichts! Den trockenen Reis aß ich bis mir der Mund zugeklebt war. Später aß ich das Brötchen und war satt. Stoßgebete schickte ich Tausende zum Himmel: „Möge es doch morgen etwas für meinen erlesenen Gaumen geben!“ Martina und Michaela aßen tapfer den trockenen Reis bis er ihnen aus den Ohren kam, Fisch lehnten beide ebenfalls ab. Nach dem Essen fuhren wir dann wieder mit dem Kanu in den Urwald, es war jetzt stockfinstere Nacht (in Peru wird es ab 18.00 Uhr dunkel). Als wir eine Weile fuhren, sollten wir mucksmäuschenstill sein. Zuerst hörte ich im Stillen nur meinen Magen knurren, aber dann entspannte ich mich und nahm die außergewöhnlichen Geräusche des Urwalds wahr. Man kann die Geräusche schlecht beschreiben. Einmal war da das leichte Plätschern des Kanus, dann die Schreie der Vögel (wenn es Vögel waren!). Man spürte trotz der Dunkelheit die Weite des Urwaldes. Alle spürten die Angespanntheit und gleichzeitig die Ruhe, die in unsere Körper kam. Wie wir so in die Dunkelheit starrten, hörten wir plötzlich ein lautes Klatschen auf das Wasser, direkt neben uns. Wir zuckten alle zusammen und fragten Ricardo, was das gewesen wäre. Ricardo meinte gelassen, ein Ast hätte sich gelöst und wäre ins Wasser gefallen. Mir war mulmig, denn ich rechnete schon mit einem Angriff einer Affenhorde auf mich. Die Entspannung war dahin und so ging es dann kurze Zeit später wieder ins Camp. Als wir von der Kanutour zurückkamen und ich aus dem Kanu stieg dachte ich mir, so muß das Paradies aussehen. Unsere gesamte Anlage war mit Öllampen bestückt. Der große Aufenthaltsraum war voller Lampen und auf den Holzstegen war im Abstand von ca. 3 m je eine Öllampe aufgestellt. Das war einer von vielen Anblicken und Augenblicken, die ich nicht so schnell vergessen werde. Der Anblick ist auch schlecht zu beschreiben, auf unserem Video ist es auch nicht so gut rüber gekommen. Man muß es einfach gesehen haben! Vor unserer Hütte standen drei Lampen, die wir mit hinein nahmen, damit wir uns im Zimmer und der Toilette zurechtfanden. Es war jetzt schon recht spät. Nach der kalten Dusche haben wir noch lange auf dem Bett gesessen und erzählt. Jetzt kam es zu einer Situation, bei der ich schon beim Schreiben wieder lachen muß. Michaela stand von ihrem Bett auf, schnappte sich eine der Öllampen vom Schreibtisch und sagte im trockensten Ton mit der Lampe in der Hand: „Ich gehe noch einmal zur Toilette!“ Sie wollte cool wirken, aber in dem Moment sah sie so zum Schießen aus, dass Martina und ich uns vor Lachen kaum noch halten konnten. Da wir keinen mehr wecken wollten, steckten wir die Köpfe unter die Bettdecke, damit keiner in der Anlage unser Lachen hören konnte. Unter der Decke sagte Martina immer wieder: „Hast Du gesehen, wie sie aussah?“ Und wieder ging das Lachen los. Ich sehe Michaela heute noch, wie sie mit Schlafanzug so vor uns stand, mit Öllampe und Klinke vom WC in der Hand. Aus der Situation heraus, sagte Martina, sie wolle noch einmal den Camcorder anschmeißen. Martina und Michaela wollten noch einen Tagesbericht aus dem Urwald bei Nacht aufnehmen. Unser Zimmer war für die Aufnahme zu klein und so gingen sie noch einmal vor die Türe. Martina hielt zwei Öllampen rechts und links von ihr direkt neben ihr Gesicht. Sie fing an, den Tagesablauf flüsternd zu erzählen und Michaela hielt den Camcorder auf sie. Schon hörte ich Michaela sagen: „Nein, nein, so nicht, das und das hast Du vergessen, das müssen wir noch mal drehen, bleib ruhig, Du zappelst so!“ Worauf Martina meinte: „Du hast gut reden, die Mücken stechen mich dauernd in den Nacken und die Lampen hochhalten ist auch nicht einfach, die sind nämlich sehr schwer!“ Außerdem sah das wohl so lustig aus, dass die Beiden mehr lachten als redeten und es dauerte eine Ewigkeit, bis die Sache im Kasten war. Es ging nun endgültig ins Bett und Martina schlief sofort ein. Michaela und ich rauchten eine Zigarette nach der anderen. Martina fing schon an zu husten an und bekam durch den Rauch sehr wenig frische Luft. Wir beiden Raucher stellten uns vor, wie das wohl von außen ausgesehen haben muß. Da die Hütte ja keine Fenster hatte, sondern nur Mosquitonetze, stieg der Rauch aus der Hütte. Im dicken Dunst schliefen auch wir später ein.

 

6. Tag

Um 5 Uhr wurden wir von Trommeln geweckt, die uns sagen sollten, dass das Frühstück fertig wäre. Wir zählten erst einmal unsere Mückenstiche, es waren reichlich. Ich hatte zwar mein Geheimrezept angewandt und mein Bett mit Lavendelduft eingesprüht, bei uns zu Hause wirkt das immer, aber die peruanischen Mücken kannten das wohl nicht. Oder der Qualm hatte den Lavendelduft überdeckt, jedenfalls waren wir überall zerstochen. Michaela killte noch drei Mücken und während wir den Rucksack für den Tag packten schrieb sie sich in die „Mücken-Highscore-Liste“ ein. Um 6 Uhr gab es Frühstück. Ein süßes Weckchen mit Rührei. Über diese Zusammenstellung sage ich nichts mehr, sonst denkt man noch, ich sei verwöhnt. Anschließend fuhren wir wieder mit dem Kanu neuen Abenteuern entgegen. Als erstes besuchten wir einen Schamanen (Buschdoktor). Er behauptete, Kranke, die zu ihm kämen, heilen zu können. Er mischt Kräuter zusammen und trinkt es selber! Er könne Parkinson, Krebs und sogar Diabetes heilen! Das er kein weißes Kittelchen trug kann ich ja noch nachvollziehen, aber etwas gepflegter hätte er schon sein können. Von dem Dreck unter seinen Fingernägeln hätte man ein Süppchen kochen können. Seine Erzählungen fesselten mich in keinster Weise und als ich so in die Runde sah, sah ich ebenfalls nur skeptische Gesichter. Man hatte mir erzählt, dass es im Urwald noch Menschenfresser gäbe. Und als ich diesen Schamanen sah, ging mir so durch den Kopf, so wie der aussieht, so stelle ich mir einen Menschenfresser vor. Gut, haken wir dieses Thema ab. Wieder fuhren wir mit dem Kanu weiter. Jetzt kamen wir mit dem Kanu an eine Stelle, wo es rosafarbene Süßwasserdelphine gab. Wir schauten gespannt ins Wasser, aber nichts war von ihnen zu sehen. Man hatte uns auch versprochen, Krokodile in freier Wildbahn zu sehen. Direkten Kontakt mit einem Krokodil wollte ich nicht, aber so in freier Wildbahn, wäre doch interessant geworden. Ohne Delphine und Krokodile ging die Fahrt weiter. Wir kamen in ein Dorf, wo man uns zeigte, wie man Rum herstellt. Von einem Baum wurden Äste abgeschlagen, die wie Rohre aussahen. Dann wurden die Äste in eine Schraubzwinge geklemmt und gedreht. Der Saft wurde in Eimern aufgefangen. Michaela drehte auch mal dran, eine schweißtreibende Arbeit. Ich lehnte dankend ab, weil Michaela sagte, dass der Saft sehr klebrig sei. Ich bin super empfindlich, wenn ich was Klebriges anpacke, bei dem Gedanken allein, sträuben sich mir die Nackenhaare. Um noch mal auf den Rum zurückzukommen, wir lernten, dass die gewonnene Flüssigkeit erst Saft und bei längerer Lagerung immer hochprozentiger an Alkohol werden würde. Außerdem lernten wir von den Einheimischen noch, dass es vor Ort einen Baum geben würde, dessen Blätter man abreißen solle um damit die Zähne zu reinigen, man müsse nur lang genug darauf herumkauen. Michaela, die nur halb hingehört hatte, meinte nur, das schmeckt nicht und man bekäme es auch schlecht geschluckt. Sie hätte besser hinhören sollen, denn man sollte auf dem Blatt nur herumkauen und anschließend ausspucken. Das war dumm gelaufen! Mit viel Wasser hatte sie das Blatt dann endlich unten. Wir kauten auf den Blättern herum, sie schmeckten nach Apfel, aber der erwünschte Erfolg, dass die Zähne weißer würden, blieb aus. Meine Schwägerin Ana, die bis jetzt alles vom spanischen ins deutsche übersetzt hatte, hatte vom vielen Reden schon Fusseln am Mund. Wir fragten Ricardo, ob er auch englisch sprechen könne, er sagte, dass wäre für ihn kein Problem, aber ob wir die Sprache verstehen könnten. Na ja, für uns war das leichter als spanisch. Gut, meine Englischkenntnisse waren nicht die besten, die Schulzeit liegt lange hinter mir. Martina überraschte mich umso mehr. Sie dolmetschte jetzt für uns und Ana konnte sich mal ausruhen. So schnell wie Martina das englische ins deutsche übersetzte fragte sie auch Ricardo noch nebenbei. Ich war wirklich sehr überrascht wie perfekt ihr englisch war, alle Achtung!

Als wir ins Camp zurückkamen, war Abendbrotzeit. Es hatte sich jedoch nichts geändert, Fisch und trockenen Reis. Wir waren mittlerweile so ausgehungert, wir aßen sogar von dem Fisch. Ana wollte uns noch sagen, wie er in Wirklichkeit aussieht. Ich sagte zu ihr: „Er schmeckt nach Fischstäbchen, und das geht gerade noch so, also sag’ besser nichts mehr, sonst spucken wir ihn wieder aus!“ Nach dem Essen gingen wir noch schnell in die Hütte und packten die Sachen für den nächsten Tag. Wir waren lernfähig. Das Packen bei Tageslicht geht wesentlich leichter und schneller als das morgens mit einer Öllampe bewaffnet zu machen. Womöglich fehlt dann eine, wenn damit jemand auf dem WC ist.

 

7. Tag

Dieser Tag im Urwald sollte für uns alle der härteste Tag werden. Wir fuhren erst einmal eine Weile wieder mit dem Kanu und genossen die wunderschöne Aussicht. Dann wurden wir in die rauhe Wirklichkeit gerissen. Denn jetzt mussten wir alle unsere geliehenen Gummistiefel anziehen und es ging zu Fuß durch den Urwald. Die Trampelpfade waren sehr matschig und der Dreck spritzte uns oft bis in die Kniekehlen. Martina blieb einmal so tief im Matsch stecken, dass ich zurück musste, um sie mit aller Kraft aus der Schlammasse zu ziehen. Die Stiefel hatten sich im Matsch festgesaugt. Michaela bekam das mit und schon lief wieder der Camcorder, es war aber auch zu lustig mit anzusehen, wie ich an Martina zog und zerrte. Des Öfteren mussten wir auf dünnen Holzästchen balancieren, weil unter uns kleine Tümpel waren. Es erforderte hohe Konzentration mit zu großen Gummistiefeln auf den glitschigen und dünnen Ästen zu gehen. An manchen Stellen gab es noch ein wackeliges Holzgeländer zum Festhalten, dem ich aber wenig Vertrauen schenkte. Als Martina einen sehr dünnen Ast überquerte brach sie prompt ein und griff haltesuchend an das Geländer. Das riß sie dann ebenfalls ab und landete bis an die Knie im Wasser. Mit etwas Mühe haben wir sie dann aus dem Wasser gezogen. Schlangen oder anderes Getiers hatte sie nicht an sich und so ging es dann weiter. Es wurde immer heißer und feuchter und die Mücken fanden immer noch eine freie Stelle auf unserem Körper. Nach drei Stunden Fußmarsch waren wir endlich am Ziel. Es war ein bewohntes Dorf und für uns wurde getanzt. Wir dachten natürlich an ein schönes Fest, wo wir uns ein wenig erholen könnten. Wir saßen in einem sehr, sehr engen Zelt und ein Eingeborener spielte auf der Panflöte und ein anderer spielte auf einem Trömmelchen. Eh wir uns versahen, wurden wir mit roter Farbe, gewonnen aus Paprika, im Gesicht angemalt und wurden dann von den Frauen des Dorfes zum Tanzen in die Mitte des Zeltes gezogen. Also von Tanz kann eigentlich keine Rede sein, denn wir liefen eigentlich nur paarweise mit den Frauen nach der Musik im Kreis. Meine Füße spürte ich kaum noch unter der schweren Last der Gummistiefel, die Kriegsbemalung lief bei mir vor Hitze über das ganze Gesicht. Nach dem die Begeisterung für die Kultur in eine Dauerbelastung für Geist und Körper umschlug, bedankte ich mich brav bei meiner Tanzpartnerin und nahm wieder Platz. Michaela hatte die ganze Zeit gefilmt und blieb so die ganze Zeit verschont. Sie meinte dann zu mir: „Mama, also wie Du ausgesehen hast, so in Gummistiefeln mit Kriegsbemalung im Gesicht im Kreis laufend, das war zum Totschreien!“ Martina war schlauer gewesen und war vor dem Zelt zum Luftschnappen. Anschließend lernten wir den Umgang mit einem Blasrohr. Das Ziel war eine Holzfigur in etwa 10 m Entfernung. Das Blasrohr war so ca. 3 m lang und recht schwer. Dann wurde ein kleiner dünner Pfeil eingelegt und dann sollten wir zielen und kurz und kräftig blasen. Beide Töchter trafen das Ziel, so dass ich es dann doch mal versuchte. Auch ich traf die Holzfigur. Bei vielen anderen blieb der Pfeil im Rohr stecken oder verfehlte das Ziel. Wir hatten riesigen Spaß dabei. Dieser sollte uns aber jetzt wieder vergehen, denn unser Reiseleiter sagte zu uns, dass wir nun wieder zurück müssten. Zurück durch den Matsch, trotz langer Diskussion blieb uns keine Wahl, es war die Hölle! Nach drei Stunden kamen wir an unserem Kanu an, dort warteten schon meine bequemen Turnschuhe. Beim Ausziehen der Gummistiefel bemerkte ich die Ameisenfamilie in meinem Stiefel und jetzt wusste ich wenigstens, was mich die ganze Zeit gebissen hatte. So erschöpft ich war, stellte ich es einfach nur fest und nahm die Wunden nur noch so hin. Im Nachhinein war ich froh, keinen Fußpilz bekommen zu haben. Mit dem Kanu fuhren wir an eine Stelle, wo wir nun Angeln sollten. Jeder bekam einen dünnen Ast mit Angelschnur und einem Stückchen Fleisch. Ich glaube, wir redeten zu laut oder wir machten sonst irgendetwas falsch. Immer wenn wir unsere Äste aus dem Wasser zogen, war kein Fisch dran aber auch kein Fleisch mehr. Wir hatten aber auch gar nichts gemerkt. Ohne Beute ging es dann wieder zurück ins Camp. Zum Essen kann ich nur sagen: „Keine Veränderung!“ Unsere Phantasien über Lieblingsgerichte schlugen große Wellen als wir hungrig ins Bett gingen.

 

8. Tag

Am Morgen packten wir endgültig unsere Mücken-Highscore-Liste mit ermordeten Mosquitos ein, sie war vollgeschrieben. Sieger auf der Liste war Michaela, Platz 2 ging an Martina und ich kam auf den letzten Platz. Mir war schon nach kurzer Zeit klar, dass ich den Kampf gegen diese Tiere verliere. Nun saßen wir mit den gepackten Sachen auf unseren Betten und zogen Bilanz. Wir hatten es uns so nicht vorgestellt. (Ohne Strom, ohne richtiges Essen, so viel Hitze), aber wir haben den Urwald so kennen gelernt, wie er nun mal ist und das war schon perfekt und unvergesslich. Als wir das Camp verlassen mussten, schauten wir uns noch mal um, die Affen, die Papageien, die Ruhe, all das würden wir als Erinnerung mitnehmen.  Mit dem großen Boot fuhren wir wieder zum Hafen, von dort zum Hotel. Nach ein paar Stunden wurden wir zum Flughafen gebracht um nach einem 90 minütigen Flug wieder in Lima zu landen. Während des Fluges aß Michaela nichts, Martina und ich aßen alles was die Bordküche hergab. Wir machten uns Sorgen um die Kleine, es sollte noch schlimmer kommen. Über einen dicken Knoten am Hals und Schluckbeschwerden klagte sie schon öfter. Als Peter uns mit dem Auto in Lima abholte und gerade im dichtesten Autoverkehr war, fing Michaela plötzlich an zu Brechen an und fiel gleichzeitig in Ohnmacht. Alle schrieen durcheinander: „Peter, halt an!“ Er versuchte auf die rechte Spur zu kommen und hielt dann auch gleich. Ich lief ums Auto, riß Michaela von ihrem Sitz und sie schüttelte sich nur. „Wo bin ich?“ fragte sie nur und musste sich gleich wieder übergeben. Bei den Spuckattacken hatte ich Glück nicht getroffen zu werden. Bei dem wenigen Essen im Urwald war der Magen bald auch leer und wir konnten die Heimreise antreten. Zu Hause bekam sie hohes Fieber und wir gaben ihr fiebersenkendes Mittel. Alle dachten, das war der Urwald schuld, aber dann kamen die Symptome wieder. Für mich war klar, ich musste handeln. Ich ging zu meinem Neffen und da Sonntag war, blieb nur der Weg ins Krankenhaus. Alex wollte uns fahren und im Krankenhaus den Dolmetscher spielen. Martina und ich holten Micki aus dem Bett und schon ging es ab ins Krankenhaus. Nach vielen Untersuchungen und Wartezeiten stellte sich später heraus, dass sie von Deutschland eine Erkältung mitgebracht hatte, die ihr auf die Halsdrüsen schlug. Mit ausreichend vielen Pillen wurde es dann von Tag zu Tag besser. Wir waren erleichtert, daß es so etwas Harmloses gewesen war.

 

9. und 10. Tag

Die beiden Tage verbrachten wir in Freizeit-Clubs. Wir spielten den ganzen Tag Tennis, abgesehen von den kurzen Erfrischungen im Pool. Es war bei ca. 30 °C eine schweißtreibende Angelegenheit auf dem Tennisplatz und oft fragten mich die Kinder: „Kannst Du noch laufen?“ als sie mich wieder mal über den Platz gescheucht hatten und ich nach Luft ringen musste. Ich setzte dann immer mein Pokerface auf und meinte: „das bisschen Laufen macht mir nichts!“ Im Innern dachte ich mir aber, laß’ den Tag vorübergehen. Gegen Nachmittag aßen wir Pommes Frites, weil wir sie ohne große Spanischkenntnisse bestellen konnten und fuhren dann mit dem Taxi nach Hause. Über Martina’s Ortskenntnisse war ich auf dem Heimweg immer wieder verblüfft gewesen. Egal, welcher Taxifahrer uns heimfuhr, jedes Mal fragten die Taxifahrer im dicksten Autoverkehr: „Wo geht es jetzt lang?“ Martina schaute sich dann kurz um und sagte dann: „Oh wir sind zwei Straßen weiter gekommen als gestern!“ Anschließend gab sie dann den Taxifahrern Kommandos, rechts, links, usw. bis wir am Ziel waren. Ohne ihre Hilfe würden wir wahrscheinlich immer noch in Lima herumkurven. Mein Bruder freute sich immer wieder, wenn wir heil zurückkamen. Peter meinte, dass die Taxifahrer unberechenbar wären, oft die Touristen ausrauben würden oder sie an einsame Orte fahren würden und sie da einfach stehen ließen. Einmal kam ein Taxifahrer in den Freizeit-Club der uns abholen sollte. Da er dem Club-Besitzer jedoch keine gültige Taxifahrer-Lizenz zeigen konnte, sollten wir beim ihm besser nicht einsteigen. Es wurde ein neues Taxi bestellt und dann war auch das okay. Mein Bruder hatte immer Angst um uns, wenn wir auf eigene Faust mit dem Taxi zum Club fuhren. Er kennt das Land und die Gefahren, aber ein bisschen Freiheit wollten wir uns ungern nehmen lassen. Die Fahrt mit dem Taxi dauerte immer so um die 60 Minuten und wir meldeten uns bei Peter immer telefonisch, so war auch Peter zufrieden. Der Club selber ist abgezäunt und überall stehen Wachposten, so dass wir im Club eigentlich sicher waren.

 

11. Tag

Heute fuhren wir mit Peter, Elfi, Martina, Michaela und mir ca. 5 Stunden bis zu einem Ort, wo wir das „Rafting“ ausprobieren wollten. Als ich den wilden Fluß sah, wurde mir speiübel. Mein Bruder sagte zu mir: „Die Männer fahren uns zu einer Stelle, wo der Fluß nicht so tobt!“ Wir bekamen Instruktionen, was wir machen sollen, wenn wir aus dem Boot fallen würden. Ruhe bewahren! Nach dem Seil greifen, das uns zugeworfen würde! Oh je, dachte mich mir nur. Nach 20 Minuten Autofahrt kamen wir dann zu dieser besagten „ruhigen“ Stelle. Ich lief sofort zum Fluß und mich traf der Schlag. Der Fluß war breit und unruhig. Mein Magen verkrampfte sich schlagartig und meine Beine wurden wie Pudding. Ich lief zu den anderen und sagte denen: „Seid mir nicht böse, aber ich bin nicht lebensmüde und fahre auf keinen Fall mit!“ Da kam auch schon der Bootskapitän lächelnd auf mich zu und schnallte mir eine Weste um. Ich sagte ihm: „Ich brauche keine Weste, ich fahre nicht mit!“ Aber er verstand ja kein Deutsch. Ehe ich mich versah hatte ich einen Helm auf dem Kopf und ein Paddel in der Hand. Meine Töchter sagten mir das wird nicht schlimmer sein als Achterbahnfahren. Ich schrie die Beiden vor Panik fast an. „Ihr wisst, ich würde nie Achterbahnfahren!“ Dann kam das Kommando, das wir alle einsteigen sollten und uns weit nach außen zu setzen hatten. In der nächsten Sekunde waren wir dann auch schon auf dem reißenden Fluß. Die Kommandos kamen auf Spanisch und ich schaute nur auf das was mein Vordermann machte. Paddeln, Paddeln, schneller, schneller…..

Plötzlich tat sich ein großes Loch im Fluß auf. Ich dachte mir, das war es! Und im nächsten Moment krachte das Wasser über uns, wir waren pitschnaß. Und wieder schneller….schneller… sonst kippen wir. Ich sah nur noch Wasser. Wir waren total beschäftigt und so hatten wir keine Zeit, um Angst zu haben. Nach 30 Minuten war das Überlebenstraining vorbei. Mit weichen Knien stieg ich aus dem Boot. Es war so toll, ich würde es immer wieder machen.

Ich war so stolz auf mich, ich hätte heulen können vor Freude.

 

12. Tag

Seit Tagen löcherten wir meinen Bruder, dass wir zum Titicaca-See fliegen wollten. Martina und ich waren vor drei Jahren schon mal da und uns hatte es so gut gefallen. Mein Bruder zeigte uns von dem Ort Bilder im Internet und sagte zu uns, dort würde es zurzeit regnen. Und das so stark, dass die Dörfer alle unter Wasser stehen würden. Wo wir hin wollten würde zurzeit sehr geschmuggelt, es liegt an der Grenze zu Bolivien und es ist dort sehr gefährlich, aber wir gaben nicht nach und so sagte er morgens beim Frühstück: „Ich war schon fleißig im Internet, habe Euch einen Flug besorgt und wenn Ihr wollt, könnt Ihr in 3 Stunden zum Titicaca-See fliegen!“ Wir alle waren überrascht und wollten schon packen als er uns sagte, er könne nicht mit (beruflich keine Zeit) und wir müssten alleine fliegen. Es folgte eine heiße Diskussion. Nach 10 Minuten war die Entscheidung gefallen; mit Martina als Dolmetscher würden wir das schon schaffen! Die anderen gingen aufs Zimmer zum Packen und ich ging mit Peter ins Büro, um ein passendes Hotel zu buchen und um den Flug klar zu machen. Wir überschlugen uns vor Aufregung. Bei uns in Deutschland bucht man nicht mal eben eine

2-Tages-Reise in so kurzer Zeit. Als ich auf mein Zimmer ging hörte ich die anderen fragen: „Was sollen wir mitnehmen? Gibt es dort Mücken? Muß die Sonnencreme mit?“ Ich antwortete, dass sie von allem ein bisschen mitnehmen sollten, auch das Wetter könnte sich ja noch verbessern. Viel zu spät brachen wir auf. Alex sollte uns zum Flughafen fahren. Im letzten Moment reichte mir Ana noch Auszüge aus dem Internet mit den Worten: „Das sind Eure
Tickets!“ Ich nahm die Papiere und stopfte sie in den Rucksack, mit fliegenden Fahnen fuhren wir zum Flughafen. Stop-Schilder und rote Ampeln übersah Alex, sonst hätten wir es auch nicht mehr rechtzeitig geschafft. am Abfertigungsschalter übergaben wir die Blätter und schon fing das Drama an. Der Herr am Schalter sagte etwas und wir verstanden nichts. Martina schaltete sich ein und so erfuhren wir, dass es höchste Zeit wäre und wir laufen müssten. Bis auf 2 Papiere, die uns der freundliche Herr wiedergab, behielt er alle anderen Blätter. Zum Denken blieb keine Zeit und wie durch ein Wunder saßen wir plötzlich in der Maschine zum Titicaca-See. Wir flogen nach Juliaca, dort angekommen sollten wir auf einen Fahrer warten, der uns in den Ort Puno bringen sollte. Wir wurden von Taxifahrern umringt, sie zogen uns am Ärmel und lächelten freundlich und fragten, zu welchem Hotel wir hin wollten. Ich sagte zu den anderen, sie sollen nichts sagen, weder unseren Namen noch in welches Hotel wir wollten. Wir standen wie ein Fels in der Brandung und hielten Ausschau nach einem Mann, der ein Schild mit dem Namen Neumann tragen sollte, aber nichts passierte. Nach 30 Minuten waren alle Taxifahrer verschwunden und der Platz war wie ausgestorben. Es war heiß und es hatte uns keiner abgeholt. Wir wollten noch 30 Minuten warten und dann im Flughafengebäude Peter anrufen, als ein klappriger Bus um die Ecke bog. Ein alter Mann mit einem Schild stieg aus und kam auf uns. „Neumann“ stand auf dem Schild! Allen fiel ein Stein vom Herzen, gerettet! Die Fahrt nach Puno zog sich quälend lang. Aber dann standen wir vor unserem Hotel. Im Gegensatz zu Lima war es jetzt doch kalt und wir bekamen den Ofen angemacht. Man servierte uns einen heißen „Koka-Tee“, das peruanische Nationalgetränk. Da die Luft sehr dünn ist, wir waren jetzt auf einer Höhe von 3800 m, tat der Koka-Tee gut. Der Tee hält wach und soll die Sinne stärken. (Auch wenn Koka der Grundstoff der chemisch aufbereiteten Droge Kokain ist, kann reiner Kokatee nicht abhängig machen. Er ist gesundheitlich unbedenklich und hat keine berauschende
Wirkung.)

Die Hoteldame kam auf uns zu und gab uns das Telefon, Peter war dran: „Alles klar bei Euch?“ war seine Frage. Ich sagte ihm, dass er sich keine Sorgen machen bräuchte, wir hätten alles im Griff. Unsere Angst am Flughafen verschwieg ich vorsichtshalber. Er fragte, ob wir zufällig Unterlagen von ihm eingesteckt hätten? Er würde zwei Blätter seit unserer Abreise suchen.  Ich sagte ihm Ana hätte uns Unterlagen gegeben für den Flug, zwei Blätter würden wir immer zurückbekommen. Egal, wo wir sie vorgezeigt hätten (Flughafen, Hotel usw.). Am anderen Ende der Leitung brach lautes Gelächter aus. Mein Bruder holte Luft und meinte: „Kein Wunder das die Zettel keiner will, das sind Bewerbungsunterlagen meines neuen Mitarbeiters!“ Auch ich musste jetzt laut lachen und versprach sie wieder heil zurückzubringen. Er wünschte uns noch einen schönen Abend und legte auf. Martina meinte, jetzt wäre ihr auch klar, warum die immer so blöd geguckt hätten, aber alles war auf Spanisch geschrieben und für uns war nicht ersichtlich, was es war. Wir bekamen Hunger und gingen durch die Straßen auf der Suche nach Nahrung. Aber als wir die ganzen Geschäfte sahen und diese für uns niedrigen Preise, war erst einmal wieder Shopping angesagt. Wir feilschten ohne Ende und hatten nach kurzer Zeit die Hände voller Souvenirs. Erst als die Geschäfte schlossen, fanden wir dann eine Pizzeria, wo wir sehr lecker aßen. Todmüde und mit den ganzen Eindrücken  fielen wir dann ins Bett. Morgens, nach dem sehr bescheidenen Frühstück, wurden wir abgeholt und zum Titicaca-See gebracht. Auf einer der schwimmenden Schilf-Inseln wurde uns ein Vortrag gehalten, den Martina mühelos übersetzte. Der See ist 65 km breit und ca. 175 km lang, das habe ich noch behalten. Mit einem Schilf-Boot fuhren wir dann zu einer anderen Insel, wo viele Souvenirs angeboten wurden. Auf dieser Bootsfahrt haben wir uns dann alle die Nase verbrannt. Es war nicht warm gewesen, aber das bisschen Sonne in dieser Höhe hat unserer Nase doch schwer geschadet. Gegen Mittag wurden wir wieder zum Hotel gefahren und später zum Flughafen. Mit dem Wetter hatten wir unheimlich viel Glück gehabt, nur abends wurde es etwas kalt. In Lima hatte uns Peter wieder abgeholt und auf der Heimfahrt erzählten wir ihm, was wir alles erlebt hatten. Er war glücklich, uns wieder heil bei sich zu haben.

 

13. Tag

Peter sprach mich heute Morgen an und meinte, wir hätten vergessen, unseren Rückflug nach Deutschland zu bestätigen. Er hätte das aber soeben gemacht und es wäre alles klar. Alex meinte, das hätte ins Auge gehen können, da hätten wir uns eher drum kümmern müssen, das würde sogar extra auf den Tickets stehen. Alex kam auf die Idee, den Mädels einen Streich zu spielen und Peter und ich waren sofort dabei. Die Mädels kamen total verschlafen an den Frühstückstisch und Peter sagte todernst: „Ihr habt vergessen, Euren Flug zu bestätigen, der Flughafenbedienstete hat angerufen, Ihr könnt statt Samstag erst am Montag fliegen!“ Entsetzen machte sich auf ihren Gesichtern breit. Nein, das darf doch nicht wahr sein! Trotz täglichen Telefonkontaktes hatten die Mädels doch langsam wieder Heimweh. Und Elfi meinte, sie hätte keine Vertretung auf der Arbeit. Martina fing sich als erste und sagte ich solle noch mal beim Flughafen anrufen. Ich sagte dann zu Alex: „Komm, wir gehen ins Büro und versuchen noch etwas zu managen!“ Alex und ich gingen ins Büro und Alex sprach in den Hörer etwas auf Spanisch, wurde laut und lauter, und knallte den Hörer auf (eine Nummer hatte er nicht
gewählt!). Als Martina ins Büro kam sagte Alex, daß da wirklich nichts mehr zu machen sei. Eine geschlagene Stunde überschlugen sich die aufgeregten Stimmen. Peter meinte: „So habe ich Euch noch ein paar Tage länger hier, ich mag Euch doch auch!“ Zum diesem Zeitpunkt war das jedoch kein Trost und Michaela fing an zu weinen. Peter, der sie nicht mehr länger leiden sehen konnte, deckte unsere Lüge auf. Er sagte, das Ganze sei auf Alex und meinen Mist gewachsen und so schnell konnten wir beide nicht laufen, wie die hinter uns her waren. Wir bekamen etliche Schläge in den Nacken. Ich glaube, dass die drei nie wieder vergessen werden, den Rückflug zu bestätigen.

 

14. Tag

Den letzten Tag verbrachten wir auf unterschiedlichen Märkten und Shopping-Meilen, damit auch das letzte Geld ausgeben wurde.

 

Abreisetag

„Otto“, der Hund des Hauses, war sichtlich froh, dass wir abreisten. Michaela hatte in den 14 Tagen versucht, ihm Manieren beizubringen und zum Beispiel das Anspringen von Leuten untersagt. Jetzt, bei der ganzen Aufregung, fing er wieder das Anspringen an und Michaela musste zugeben, gescheitert zu sein. In Peru herrschen eben andere Gesetze und bei Peter so wie so: „Otto darf alles!“ Der Abschied von Alex, Ana und Peter war sehr traurig gewesen, wer weiß, wann wir uns jemals wieder sehen. Dass wir viel erlebt haben, steht außer Frage und wir werden die Zeit nie vergessen.

Jetzt fuhren wir zum Flughafen, wir dachten nicht im Traum daran, dass noch etwas schief gehen könnte, aber es kam leider anders. Als wir die Gepäckstücke am Schalter aufgaben, schüttelte der Beamte dauernd den Kopf und so schaltete sich mein Bruder ein und fragte ihn, was er von uns wollte. Unser Sondergepäck, eine Sporttasche mit 3 Tennisschlägern und Bällen war komischerweise jetzt dreimal so schwer. Wir hatten viele Souvenirs in Peru gekauft und was nicht mehr in die Koffer ging, packten wir in die Sporttasche. Jetzt sollten wir 200 Dollar für Übergewicht nachzahlen. Peter meinte, dann packt Ihr halt um und packt alles ins Handgepäck. In unser Handgepäck hätte noch nicht einmal eine Streichholzdose Platz gehabt. Der Beamte gab sich geschlagen, wir brauchten nicht umzupacken und die schwere Sporttasche kam jetzt ohne zusätzliche Gebühren aufs Fließband. An dieser Stelle müsste  ich mal erwähnen, dass wir die Sporttasche immer dazu benutzt hatte, „sämtliche“ Schläger mit in den Freizeit-Club zu nehmen.

Nach dem langen Rückflug landeten wir glücklich in Köln und nahmen glücklich und zufrieden unsere Lieben auf dieser Seite der Erde in die Arme.

 

Zuhause stellten wir dann plötzlich fest, warum die Sporttasche so unglaublich schwer war. Außer Souvenirs hatten wir Peter’s komplette Schlägerausrüstung in der Tasche. Drei Holzschläger für das „Fronton“ hatten wir mitgenommen (nur einer sollte als Souvenir mit!). Wir hatten also doch nicht sooooo viel eingekauft, es waren die schweren Holzschläger. Peter war bei der letzten Kontrolle nicht mehr dabei gewesen. Uns nahmen sie auch aus Sicherheitsgründen die Blasrohre samt Pfeile auf dem Flughafen ab. Alles Betteln half nicht. Nach vielem Hin und Her konnte Peter die Blasrohre am Flughafen abholen und schickte sie uns mit der Post zu.