2001

Ich weiß nicht, wie es anderen geht, aber für mich ist das Jahr wieder gerast. Nun sitze ich hier und überlege mir, was denn alles so passiert ist. Man möge mir verzeihen, wenn ich das Ein oder Andere vergessen habe, aber auch ich werde nicht jünger.

Der Januar war für uns Eltern eine aufregende Zeit. Michaela hatte den Rollerführerschein ja gemacht und so fuhr sie jetzt Tag aus, Tag ein mit dem Roller. Wir freuten uns immer, wenn sie wieder heil nach Hause kam. Da unsere alten Roller unzuverlässig wurden, kauften wir zwei neue. Michaela suchte sich das neueste Model aus, ein echter Überflieger mit allem Schnick Schnack. Vor allen Dingen kostete er 800,- DM mehr als meiner. Sie meinte zu Helmut: „Papi, das bin ich Dir doch wohl wert?“ Wer kann da wohl widerstehen? Mein Roller war ein älteres Model (so wie ich) und nicht ganz so sportlich. Ich hatte auch andere Ansprüche an meinen Roller. Man musste mit ihm Kästen Wasser, Paletten Milch oder Saft transportieren können und dadurch musste das Trittbrett breit genug sein. Selbst unseren letzten Tannenbaum habe ich auf dem Roller transportiert. Das ist für mich gerade zu eine Herausforderung. Helmut fasst sich häufig an dich Stirn, wenn ich mal wieder überladen in die Einfahrt rolle.

Im Februar war mein Geburtstag und nach längerer Zeit haben wir den mal wieder mit vielen Freunden gefeiert. Michaela hatte im Februar ihr Praktikum bei einem Friseur. Es hat ihr großen Spaß gemacht. Haare waschen mit anschließender Kopfmassage kann sie nun gut, das haben wir alle schon am eigenen Kopf erfahren dürfen, herrlich! Später meinte sie nur, das lange Stehen den ganzen Tag wäre wohl doch nicht das Richtige für sie. Außerdem den ganzen Tag nach draußen schauen und immer dasselbe sehen. Mal abwarten.

Der März wurde für alle Leverkusener ein gefährlicher Monat: Martina die ihre Theorieprüfung fürs Auto gemacht hatte, begann jetzt ihre ersten Stunden hinterm Lenkrad. Gute Freunde wurden telefonisch vorgewarnt: „Achtung, Martina fährt heute auf öffentlichen Straßen“. Wenn das Fahrschulauto (ein Mercedes Kombi!) vor der Tür stand und sie einstieg und los fuhr, stand die restliche Familie hinter der Gardine und beobachtete das Schauspiel. Ihr ängstlicher Blick hinterm Steuer war völlig überflüssig, denn sie machte ihre Sache ganz ordentlich.

Im April wurde Helmut 44 Jahre alt und auf Grund seines Alters mussten wir überlegen, wie er nicht rostet. So haben wir mit ein paar guten Freunden das Joggen angefangen. Er läuft nicht mit Freude, aber mit Freunden. So höre ich auch jeden Sonntag Morgen sein Stoßgebet sprechen: „Lieber Herrgott, lass es regnen, damit wir nicht laufen müssen“, aber zu seinem Pech hat das Wetter immer noch gehalten. Unsere Michaela hat in diesem Monat einen Löwenbändiger für sich gefunden. Er heißt Christian und hat Geduld ohne Ende mit ihr, so dass es etwas für länger ist (wünsche ich mir jedenfalls).

Den Mai lasse ich aus, dafür war im Juni wieder Action angesagt. Es fing schon gleich am 1.6. an. Seit Monaten lag ich Helmut in den Ohren, dass der große Baum vor unserem Wohnzimmerfenster mir die Sicht auf unser Feld und das Tageslicht raubt. Nachdem Helmut sich nicht rührte, nahm ich die Sache in die Hand. Heimlich sprach ich mich mit den Freunden unserer Töchter ab. Gesagt getan, am 1.6. standen Christian und Dennis mittags pünktlich auf der Matte. Von Helmuts Freund hatte ich mir schon Tage vorher die Kettensäge besorgt, die ich vorsichtshalber im Kleiderschrank versteckte. Nun ging es los. An Seilen gesichert, kletterte Dennis in den Baum und fing an zu Sägen. Der erste dicke Baumstamm wurde mit Seilen gebunden, so dass Christian, Michaela und ich den Ast beim Fallen in die richtige Richtung ziehen konnten. Der erste Baumstamm fiel langsam und wir drei zogen was das Zeug hielt. Es klappte, der Baumstamm fiel gerade auf die Wiese, aber nicht weil wir drei so perfekt gezogen hatten, sondern weil der Baumstamm einfach glücklich fiel. Der nächste dicke Ast fiel in die hohe Hecke mitten rein, trotz Ziehen. Ich bekam Angst, die dicken Äste fielen auf den Boden, wie sie wollten. Wenn Helmut das sehen würde! Es erwies sich, als sehr mühsam, den dicken Ast aus der Hecke zu ziehen, aber es gelang uns irgendwann. Christian zupfte an der Hecke und Dennis bog hier und da was und dann sah man das Loch kaum noch, wo der dicke Ast reingesaust war. Die Mieter bekamen die Aktion mit und meinten: „Ist das nicht gefährlich? Der Baum ist doch riesengroß.“ Ich entgegnete großkotzig: „Machen Sie sich keine Sorgen, das ist alles kein Problem.“ Ich klang wohl nicht überzeugend. Jedenfalls gingen sie rasch vom Garten in ihre Wohnungen und schlossen Balkontüren und Fenster. Als wir bei letzten Ast und schon fast fertig waren, traf mich fast der Schlag. Helmut stand, wie von Geisterhand, auf dem Balkon und betrachtete sich das Treiben. Ich schaute auf die Uhr, wir waren doch gut in der Zeit geblieben. Es war doch erst 16 Uhr. Um 17 Uhr wären wir schon fertig gewesen. Also rief ich vom Garten zum Balkon hoch: „Hallo Schatz, warum bist du denn heute eine Stunde früher gekommen, ist was passiert?“ Erst jetzt sah ich den Blumenstrauß in seiner Hand, da fiel mir ein: „Heute ist unser Hochzeitstag.“ Ich sagte spontan: „Bin dir zuvor gekommen, hab ich dich jetzt überrascht?!“ Nachdem er seinen Unmut geäußert hatte, half er uns später beim letzten Ast. Die letzten dicken Stämme durften wir dann nicht mehr durchs Feld ziehen und ich den Wald schmeißen, Helmut meinte, das sei streng verboten und er möchte nicht mit mir ins Gefängnis wandern. So schnippelten wir an den nächsten Tagen die Äste klein (eine Sauarbeit!!!). Ein Kleingartenbesitzer nahm uns die Baumstämme ab und so bin ich nun den dicken Baum los. Ich musste Helmut versprechen, solche Aktionen nie mehr hinter seinem Rücken zu machen, mal sehen. Nach der aufregenden Sache mit dem Baum fuhr ich anschließend auf Bildungsurlaub nach Bad Zwischenahn dank der guten Küche und dem schönen Wetter erholte ich mich gut.

Am 20. Juni hatte Martina ihre praktische Prüfung fürs Auto. Ihr Können und unser aller Daumen drücken half dann auch. Mit viel Glück bekam sie ihren „neuen“ gebrauchten Ford Ka am gleichen Tag, an dem sie die Prüfung bestanden hatte. Abends wurde der Wagen von Christian, Michaela, Dennis, Helmut und mir noch mal richtig bestaunt und mit einem Glas Sekt wünschten wir alle: „Martina allzeit eine gute Fahrt!“ Der Wunsch blieb unerfällt. Nur wenige Tage später fuhr sie bereits Dennis` Vater auf den BMW. Sie hatte die Kupplung mit dem Gaspedal verwechselt. Kann ja mal passieren. Der Schock war größer als der Schaden.

Der Juli verlief ruhig. Einer der Gründe war, das Michaela eine zeitlang mit Freunden Urlaub in Holland machte. Durch Anrufe ihrerseits wussten wir es ging ihr gut und das war ja die Hauptsache.

Im August fuhr Michaela in den Sommerferien mit einer Jugendgruppe zum Plattensee. Wie Helmut und ich zur gleichen Zeit nach Österreich. Während Michaela am Wasser lag, erklommen wir die Berge. Durch einen glücklichen Zufall trafen wir gleich zu Anfang unseres Urlaubs im Hotel auf alte Bekannte. Roberto und Graziella mit Tochter, Siegrid und Karl. Roberto und Familie sprachen immer noch nicht so gutes Deutsch und wir noch kein italienisch, aber nach einiger Zeit ging es wie die Jahre davor: mit Geschick und Mimik. Bei einer Wanderung wollte ich den Begriff von „frei sein“ erklären. Ich kam vom Hölzchen auf das Stöckchen, aber nach 45 Minuten kamen wir, wie so oft auf den gleichen Nenner. Helmut war das oft zu anstrengend, er lief dann vorne weg mit Siegrid und Karl. Siegrid und Helmut hatten oft Mühe Karl zu bremsen, denn seine Leidenschaft war während des Wanderns Steine zu suchen und mitzunehmen. An seiner Haltung beim Wandern konnte man nur ahnen wieviel Steine Karl wieder gesammelt hatte. Zu den Touren die wir alleine gemacht haben, sage ich nur so viel: „Es war oft die Hölle“. Mehrmals haben wir uns übernommen. Martina, die zu Hause geblieben war gab uns ein mal pro Woche übers Telefon einen Bericht. Noch nicht ganz zurück konnte ich auch schon wieder packen. Ich fuhr mit unserem Wohnbehindertenheim eine Woche nach Holland. Es war eine tolle und aufregende Zeit. Die Unterkunft war groß und malerisch. Die Dörfer, die wir auskundschafteten waren idyllisch. Alles in Allem eine schöne Zeit. Im September fuhr Michaela auf Klassenfahrt nach Belgien. Helmut entdeckte seine Liebe zum Schlagzeug spielen und meldete sich in einer Musikschule an. Für viele unverständlich aber wer unsere Familie wirklich kennt, hat schon lange aufgehört sich über irgendwas zu wundern. Wie jedes Jahr musste auch das Krankenhaus mal wieder von einem Familienmitglied aufgesucht werden. Diesmal war es Martina. Sie knickte beim Badminton mit dem Fuß um. Ohne auf eine genaue Diagnose zu warten, fuhr ich gleich mit den Krücken ins Krankenhaus. Michaela begleitete mich. Martina hatte noch mal Glück gehabt, es war nur eine starke Bänderdehnung. Im Gegensatz zum vorigem Jahr, war das der einzige Krankenhausbesuch.

Im Oktober fuhr ich mit Michaela auf Bildungsurlaub, ebenfalls wieder nach Bad Zwischenahn, mit der Erwartung, das könnte ihr gefallen. Wir liefen in unserer Freizeit Inliner und abends ging es zum Tanzen oder wir gingen in ein gemütlichen Nachtcafé. In Sachen Ordnung passte ich mich ihr schnell an. In nur zwei Tagen fand ich nichts mehr im Schrank, statt dessen bogen sich unsere zwei Stühle vor Wäsche. Man konnte in unserem Zimmer deutlich erkennen, dass wir darin lebten. Bis zum letzten Tag habe ich immer alles gefunden, was ich suchte. Dauerte immer etwas. Meine Erwartungen sind voll übertroffen worden, es hat Michaels super gefallen. Eins steht für uns beide fest, das wollen wir auf jeden Fall noch mal wiederholen. Kaum zurück, fuhr Martina mit ihrer Freundin nach Mallorca. Es war nach fünfzehn Jahren ihre zweite Reise per Flugzeug. Mit der Reiserei hatte es dann auch ein Ende. Michaela bekam noch 2 mal 2 Zähne aus dem Kiefer gezogen, was sich nicht als lustig heraus stellte. Martina beobachtete es mit gemischten Gefühlen, denn sie hat das ganze noch vor sich.

Im November kam was kommen musste, Helmut kaufte sich endlich sein Schlagzeug. Er übt im Moment noch im Keller, aber wir hoffen, er findet bald eine Unterkunft (einen Raum), wo er sich besser austoben kann.

Im Dezember bekam Helmut alle seine Zähne neu gemacht. Es war das Jahr der Zähne.

Das wars dann auch schon mit diesem Jahr, ich hoffe ihr habt alle einen kleinen Einblick, in dieses stressige, aber doch gelungenes Jahr bekommen.

Wir vier wünschen allen ein schönes Weihnachtsfest und einen guten Rutsch ins neue Jahr.